Piet alias Carlos

Piet alias Carlos

Du liebe Güte, wie bin ich denn nur an diesen Ort geraten? Jetzt sehe ich vor lauter Bäumen nicht mehr wo ich wirklich bin und finde meinen Weg auch nicht mehr. Dabei bin ich doch eben erst aus einem Auto gehüpft, das mich unfreiwillig mitnahm. Hier ist alles so fremd! Nun dunkelte es auch noch. Ich beeilte mich um eine kleine geschützte Grube zu finden, in der ich mich einrollen konnte, um ein kleines Nickerchen zu halten. Die unbekannten nächtlichen Geräusche hinderten mich lange an meinem nötigen Erholungsschlaf. Ich bibberte vor Angst.
Am nächsten Morgen fühlte ich mich wie gerädert. Mein Magen knurrte unangenehm laut vor Hunger. Wo war meine Mami? Gerade jetzt vermisste ich sie und auch mein Brüderchen schmerzlich. Ihr könnt es mir wirklich glauben, ich fühlte mich einsam und verlassen. Meiner gestrigen Neugier wich nun eine aufkeimende Angst die sich immer mehr in mir ausbreitete, die beiden nie wieder zu sehen.
Da vernahm ich auf einmal Menschenlaute, sie kamen von weit vorne. Hoffnung schöpfend tapste ich in Richtung der Kinderstimmen. Als die Kinderschar mich erblickte, brach sie in helle Begeisterungsrufe aus. Eins von ihnen nahm mich sofort hoch auf seinen Arm und trug mich zu einem am Waldrand gelegenen Haus. Dort erhielt ich von der Mutter des Kindes als erstes ein Schälchen mit Wasser. Sowie ich meinen Durst gestillt hatte, nahm ich Platz auf einem weichen Kissen, welches extra für mich bereitgelegt wurde.
Während ich mich zu putzen begann, so wie meine Mami es mich gelehrt hatte, schnappte ich folgendes Gespräch auf: "Der kleine Rotgestreifte kann nicht bei uns bleiben, denk doch nur was für ein Zirkus unser Hund aufführt, wenn er den Kater zu Gesicht bekommt", sagte die Frau. "Was machen wir nur?" fragte der kleine Junge seine Mutter. Sie überlegte kurz. Dann griff sie zum Telefonhörer, wählte eine Nummer und wartete wieder. In diesem Augenblick brachte mir der Junge zur Stärkung eine kleine Portion Hühnchen und streichelte mich kurz über mein Köpfchen. Gierig schlang ich das Hühnerklein in mich hinein. Schließlich hatte ich seit einem Tag nichts mehr in meinem Magen. So, jetzt war ich satt und einigermaßen zufrieden. Aber was war das? Die Mutter hob mich hoch und setzte mich in einen Karton mit Löchern. Was in aller Welt hatte sie mit mir vor? Wieder machte ich die Fahrt in einem Auto mit. Nur ein wenig später war ich in einer anderen Wohnung. Eine junge Frau öffnete den Karton und lächelte mich freundlich an. "Na", meinte sie, "dein Plätzchen finden wir gewiss noch, versprochen". Prüfend notierte sie das Zeichen der frischen Tätowierung an meinem Öhrchen auf einen Zettel. Danach telefonierte sie. Ich verstehe einfach nicht, dass die Menschen sich fast ohne Unterbrechung stundenlang mit irgendwelchen toten Geräten unterhalten. Inzwischen lief ich suchend in ihrer Wohnung umher. Es roch nach anderen Katzen, jedoch war keine zu sehen. Da kam sie auf mich zu und trug mich in die Küche. Sie setzte mich in einen größeren mit Decken ausgelegten Karton. Vor mir standen jeweils ein Schälchen mit Katzenfutter und separat eines mit Wasser. In einer anderen Ecke hatte sie ein Katzenklo für mich gerichtet. Ich bemerkte ein Geräusch und drehte mich um - ebenso überrascht wie ich, stand da die Katze des Hauses, eine große kräftige, grau getigerte Katzendame die mich entsetzt anblickte. Freundlich machte ich einen kleinen tapsigen Schritt auf sie zu. Wusch - hätte ich mich nicht flink geduckt, so hätte ich ihre Krallen zu spüren bekommen als sie nach mir schlug. Rasch bugsierte die junge Frau ihre wenig gastfreundliche Katze aus der Küche und schloss die Tür. Zwei Tage lang kümmerte sich diese Dame um mich. Fütterte mich und spielte mit mir. Wenn sie die Tür schloss, das bemerkte ich, bekam die andere Katze ihre Aufmerksamkeit. Am Abend des dritten Tages klingelte es an der Tür.
Als diese geöffnet wurde, machte ich vor Überraschung einen Satz zur Seite. Nach dem ersten Überraschungsmoment sauste ich auf mein Frauchen zu. "Mau, endlich hast du mich gefunden!!" schrie ich sie in meiner Katzensprache glücklich an. Auch die Kinder meiner Familie waren dabei. Juchu, ich würde endlich wieder meine Katzenmami und mein Brüderchen sehen. Das Leben war so schön.

Autor: Martina Jenner www.die-rote-feder.de